Bad Kreuznach
Nach den Engstellen zwischen Rotenfels und Rheingrafenstein erreicht
die Nahe die weite Ebene der Kreuznacher Bucht, eine fruchtbare, seit
frühester Zeit besiedelte Landschaft mit der Stadt Bad Kreuznach als
Siedlungszentrum am Schnittpunkt uralter Verkehrswege. Die klimatisch
sehr begünstigte Lage der Kreuznacher Bucht zeigt sich am
deutlichsten in der Dauer der Vegetationszeit. Die Buchen beispielsweise
ergrünen an der unteren Nahe im Mittel um den 20. April und haben
ihren herbstlichen Laubfall um den 20. November. Im Vergleich zum
50 km weiter westlich gelegenen Idar- und Hochwald bedeutet dies eine
fast zwei Monate längere Vegetationszeit. Der Name "Kreuznach" ist
wahrscheinlich
keltischen
Ursprungs und leitet sich aus seiner lateinischen Form "Cruciniacum" ab. In
römischer Zeit
war Bad Kreuznach ein wichtiger Handelspunkt, denn Kaiser Augustus
ließ hier —vermutlich während seines Aufenthaltes in Gallien 16-13 v. Chr.—
eine Straßenstation errichten. Überreste eines römischen Kastells aus
dem Jahre 370 n. Chr. mit quadratischem Grundriss und über 100 m
Seitenlänge sind bis heute erhalten geblieben (an der "Heidenmauer").
Die Bedeutung Bad Kreuznachs als römischer Siedlungspunkt wird aber
vor allem durch eine im 2. Jahrhundert n. Chr. entstandene "Villa
suburbana" eindrücklich belegt, die wohl einem Senator aus Mainz oder
einem reichen Großgrundbesitzer gehörte. Im Vergleich zu reinen
Zweckbauten, wie Bauernhöfen oder Handwerkerhäusern, war diese
luxuriöse Peristylvilla (Peristyl = mit Säulen umgebener Innenhof) sehr
komfortabel ausgestattet mit fließendem Wasser, verglasten Fenstern,
verputzten und bemalten Wänden sowie einer Fußbodenheizung und
großzügigen Bädern. Die vier Flügel der mehrgeschossigen Villa und der
großzügige Innenhof umfassten zusammen eine Grundfläche von 81 m
auf 71 m. Die Villa lag etwas abseits, ungefähr 300 m von der damaligen
Hauptverkehrsstraße entfernt, die durch das Nahetal in das 1.5 km
entfernte Cruciniacum führte. Größe, Bauweise und Ausstattung der
Villa mit ihren großflächigen und vollständig erhaltenen
Fußbodenmosaiken sind im römischen Einflussbereich nördlich der
Alpen ohne Parallele. Zweihundert Jahre nach ihrer Errichtung wurde
die Villa aufgrund des Zerfalls der römischen Herrschaft zunächst in
eine Festung umgebaut und schließlich ganz aufgegeben. Das 68 qm
große "Oceanus-Mosaik", das eine Mittelmeerlandschaft darstellt mit
Meerestieren, Schiffen, Booten, Hafengebäuden und dem Meeresgott
Oceanus, kann zusammen mit dem zweiten, 58 qm großen "Gladiatoren-Mosaik",
das Tierkampfszenen und Gladiatorenkämpfe darstellt, im
Kreuznacher Museum Römerhalle am ursprünglichen Standort der Villa
bewundert werden. Dort wird auch eine sehenswerte Sammlung an
Skulpturen und Kleinfunden aus der Römerzeit gezeigt.
Zu neuer Blüte gelangte Bad Kreuznach im 11. Jahrhundert durch die Grafen von
Sponheim,
die um die Jahrtausendwende das Gebiet an der
Nahe als Lehen erhalten hatten. Die im Jahre 1205 erstmals urkundlich
erwähnte Kauzenburg hoch über der Stadt wurde ab 1230 Amtssitz der
Grafen und sicherte insbesondere auch den Naheübergang. Die alte
Nahebrücke mit den Brückenhäusern ist heute das Wahrzeichen der
Stadt. Mit ihren acht Bögen entstand sie um das Jahr 1300 und wurde
1332 erstmals urkundlich erwähnt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts
begann man mit der Bebauung der Brücke mit Wohnhäusern. Ein
weiteres Wahrzeichen ist die von Graf Johann II von Sponheim im Jahre
1311 gestiftete Pauluskirche (1332 geweiht und ursprünglich eine
dreischiffige gotische Basilika) auf dem Nahewörth, einer kleinen Insel
zwischen Nahe und Mühlenteich. Mittelpunkt des städtischen Lebens
war und ist der historische Eiermarkt, wo im Jahre 1266 die älteste noch
erhaltene Kirche Bad Kreuznachs errichtet wurde und 1281 in den Besitz
des Karmeliterordens kam. Bad Kreuznach ist aber auch eine "alte"
Bäderstadt, denn hier befindet sich aufgrund der speziellen geologischen
Gegebenheiten ein beachtliches Reservoir an Mineralquellen mit
heilwirksamen Stoffen, die schon die Kelten kannten und die Römer für
ihre Bäder und Thermen verwendeten. Der heutige Kurbetrieb wurde
1817 begründet und verdankt seinen Ruf den ergiebigen Solequellen, die
für Bade- und Trinkkuren genutzt werden.
Bad Kreuznach hat aber auch auf höchst ungewöhnliche Weise einen
außergewöhnlichen Beitrag zur Weltliteratur geleistet. Dies alles trug
sich zu einer Zeit zu, als an den Höfen Europas Astrologen, Alchemisten
und Magier gern gesehene Leute waren. So geschah es, dass ein gewisser
Georgius Sabellicus Faustus im Jahre 1507 nach Bad Kreuznach kam,
wo er sich gemäß eines Briefes des damaligen Sponheimer Abtes
Johannes Trithemius
in "großsprecherischer Weise gewaltiger Dinge rühmte und
sagte, in der Alchemie sei er von allen, die je in dieser Kunst gewirkt
hätten, der Vollkommenste". Da zu dieser Zeit in Bad Kreuznach gerade
die Schulmeisterstelle unbesetzt war, wurde Faustus diese Stelle
angetragen und zwar auf spezielle Verwendung des berühmten
Reichritters Franz von Sickingen von der Ebernburg, der der Astrologie
und Alchemie mehr als wohlwollend gegenüber stand. Wegen eines
bösen Skandals musste Faustus, der eine volkstümliche, auf Gelderwerb
ausgerichtete Magie betrieb, aber Bad Kreuznach bald danach wieder
Hals über Kopf verlassen. Weitere harte Fakten über das Wirken von
Faustus gibt es kaum und seine Spur verliert sich im Jahre 1545 vollends,
vermutlich aufgrund seines Ablebens. Da die damalige Reformationszeit
einen äußerst fruchtbaren Nährboden für hitzige Dispute über Zauberer
und teuflische Nekromanten (Magier, die Tote erscheinen lassen) abgab,
war bereits im Jahre 1576 die erste, noch rudimentäre Version der
Geschichte von der Teufelsbeschwörung durch Faustus im Umlauf. Jene
Teufelsbeschwörung soll sich —gemäß dieser Berichte— vor Studenten
zu Wittenberg zugetragen haben. Eine Vielzahl weiterer "unerhörter"
Taten folgte. Zehn Jahre später lag dann das berühmt gewordene
"Faustbuch" (Historia von D. Johan Faustus; 1587) vor, das Goethe
"seinem" Faust zugrunde gelegt hat. Welch durchschlagender Erfolg
dem ersten Faustbuch beschieden war, lässt sich daran ablesen, dass nur
wenig später bereits das erste Bühnenstück in England über diese
Geschichte erschien (Christopher Marlow: "Doctor Faustus"; 1588).
Unnötig zu sagen: Selbstverständlich gibt es in Bad Kreuznach ein
Fausthaus zu besichtigen!